Unser Experte für Colitis Ulcerosa
Dr. med. Kerem Bulut
Institution und Position: Chefarzt der Abteilung Gastroenterologie am St.-Clemens-Hospital in Geldern.
Stand: 14.03.2018
Die Mitschrift des Interviews mit Dr. med. Kerem Bulut zum Thema “Colitis Ulcerosa”
Welche chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind häufig?
Die häufigsten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sind neben der Colitisulcerosa der Morbus Crohn. Seltenere Formen sind nicht näher einzuordnende Erkrankungen wie eine Colitisindeterminata, bei der Zeichen von beiden Erkrankungen vorliegen können, ohne dass eine genaue Festlegung möglich ist.
Was ist ein Morbus Crohn? Was ist das Besondere?
Der Morbus Crohn (M. Crohn) ist eine bisher in Ihrer auslösenden Ursache nicht bekannte chron. entzündliche Erkrankung die sich im gesamten Magen-Darmtrakt abspielen kann. Die häufigste Lokalisation findet sich am Übergang zwischen Dünndarm und Dickdarm, die als Ileitisterminalis bezeichnet wird. Diese Lokalisation betrifft etwa 55 % aller M. Crohn Patienten.
Als Auslöser werden neben Umweltfaktoren (z.B. Ernährungsfaktoren wie Emulgatoren) auch Autoimmunprozesse der körpereigenen Immunantwort sowie auch genetische Faktoren gefunden. Einen einzigen auslösenden Faktor hat man bisher nicht ausfindig machen können. Vermutlich spielen bei genetisch prädisponierten Patienten sekundär weitere Auslöser wie abgelaufene Magen-Darminfekte und andere Auslöser eine Rolle.
Das besondere an einem M. Crohn ist, wie genannt die Ausbreitung im gesamten Magen-Darm-Trakt, also letztlich ist eine Ausbreitung im Bereich der Zungen- und Speiseröhrenschleimhaut ist genauso beschrieben wie eine Lokalisation der Entzündung bis zum After. Diese Entzündungen können auch gesunde Schleimhaut-Abschnitte im Magen-Darmtrakt überspringen.
Was ist das Besondere an einer Colitis ulcerosa?
Das Besondere an der Colitisulcerosa (CU)ist die strenge Begrenzung rein auf den Dickdarm. Die CU beginnt immer im Enddarm (Rektum) und schreitet von unten nach oben weiter fort Richtung Dünndarm. Im Gegensatz zum M. Crohn ist die CU nur auf die oberflächlichen Schleimhautschichten begrenzt. Auch bei der CU ist kein sicher identifizierbarer Auslöser der Erkrankung beschrieben worden. Die Hinweise für mögliche Auslöser ähneln denen des M. Crohn, also auch hier Umweltfaktoren wie abgelaufene Infekte, genetische Disposition usw.
Was wissen Sie zu den Ursachen/Auslösern dieser Erkrankungen?
Die Ursachen sind wie oben genannt, bisher nicht eindeutig identifiziert worden. Es gibt Hinweise für genetische Veranlagung (z.B. aus Zwillingsuntersuchungen und gehäuftes Auftreten bei Kindern von CED-Patienten) die dann zum Tragen kommt, wenn Umwelt- und Ernährungsfaktoren (angeschuldigt werden u.a. z.B. Emulgatoren und industriell verarbeitete Fette, vermehrter Konsum raffinierter, industriell aufbereiteter Zucker, allergische Reaktionen auf Bäckerhefe und zunehmender Ersatz von Muttermilch durch Kuhmilch) hinzutreten. Als weitere Auslöser werden aber auch bakterielle und virale Infektionen vermutet.
Welche Symptome sprechen für eine entzündliche Darmerkrankung?
Die typischen Symptome einer chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sind neben diffusen Bauchschmerzen v.a. Durchfälle, die nicht, wie bei harmlosen Durchfällen nach einigen Tagen von selbst wieder aufhören, sondern teilweise wochen- oder monatelang fortbestehen können. Typischerweise treten bei der CU noch Blut und Schleimabgänge hinzu, die teilweise erheblich sein können, bis hin zu einer ernsten Blutarmut. Daneben haben manchmal M. Crohn Patienten Symptome ähnlich einer Appendizitis, die dann zunächst auch wie ein Appendizitis mittels Operation behandelt wird, natürlich ohne wirkliche Verbesserung der Symptome.
An welchen Arzt sollte ich mich bei einem Verdacht wenden?
Es sollte grundsätzlich ein Gastroenterologe (spezialisierter Facharzt mit Ausrichtung auf Magen- und Darmerkrankungen) aufgesucht werden, wenn Durchfälle länger als vier Wochen bestehen und die oben genannten Symptome vorliegen sowie die allgemeinen und symptomatischen Maßnahmen des Hausarztes ohne erkennbaren Effekt geblieben sind. In aller Regel werden Stuhluntersuchungen auf bakterielle oder parasitäre Erreger beim Hausarzt vorher unauffällig gewesen sein, so dass dann eine Darmspiegelung erfolgen muss.
Wie wird eine Colitis ulcerosa sicher diagnostiziert?
Eine Colitisulcerosa kann letztlich nur durch eine Koloskopie oder Rektoskopie mittels Biopsien der Schleimhaut bewiesen werden. Sämtliche Bildgebungen wie Ultraschall, Kernspintomographie oder CT können nur Hinweise auf eine Entzündung liefern, aber nicht die Ursache benennen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Was ist neu?
Die Behandlungsmöglichkeiten sind grundsätzlich medikamentös ausgerichtet. Hierbei werden neben Entzündungshemmern ähnlich dem Aspirin, Salicylate wie Mesalazin als Basistherapien eingesetzt. Im akuten Schub muss meistens mittels Prednisolon schnell ein akuter Schub zum Stillstand gebracht werden. Erst dann muss individuell geklärt werden, ob und wenn ja eine Immunsuppression z.B. mittels spezieller Substanzen wie Azathioprin oder neuere Medikamente wie sogenannte Biologika wie Remicade, Humira oder Simponi eingesetzt werden können.
Im Falle akuter, komplikativ verlaufender Krankheitssituationen muss individuell entschieden werden ob eine Operation erforderlich ist. Dieses kann z.B. bei Abszessen, hochgradigen Stenosen oder dem medikamentösen Nichtansprechen auf die Therapie erforderlich sein. Dann wird meistens ein Stück Darm entfernt. Die Ursache der Entzündung kann die Operation beim M. Crohn nicht heilen. Anders ist es bei der CU, hierbei kann durch eine totale Entfernung des Dickdarms die Entzündung endgültig geheilt werden, allerdings stehen dann häufig andere Probleme die OP bedingt sind im Vordergrund. Zu nennen wären Vernarbungen und Entzündungen an den Verbindungsstellen im operierten Darmabschnitt.
Wann würden Sie eine medikamentöse Behandlung empfehlen?
Grundsätzlich sollte immer versucht werden medikamentös zu behandeln und nur im Falle eines Therapieversagens und drohender oder eingetretener Komplikationen eine Operation vornehmen zu lassen.
Wann ist eine Operation notwendig? Welche Techniken gibt es?
Die OP-Technik wird individuell je nach Befall des Darmes festgelegt. Bei einem totalen Dickdarmbefall und einem nicht mehr medikamentös beherrschbaren Schub mit drohender Perforation wird eine totale Proctocolektomie mit Ileumpouch-Anlage durchgeführt, bei der das letzte Stück Dünndarm zu einer Art Ersatzreservoir umgebaut und im Bereich des Mastdarms eingesetzt wird. Auch hiernach können aber wieder andere Problem auftreten, wie etwa eine Entzündung des Pouchs oder Flüssigkeitsverluste über die fehlende Resorptionsfunktion des nicht mehr vorhandenen Dickdarms. In manchen Fällen wird auch ein künstlicher Darmausgang angelegt, hier sind aber immer die individuellen Aspekte und Krankheitsausprägungen des Patienten zu prüfen und letztlich auch ausschlaggebend. Eine pauschale OP-Indikation mit einer bei allen Patienten immer eingesetzten Standard-OP existiert nicht. Die Behandlung muss hier immer personalisiert sein.
Gibt es neue Behandlungsmöglichkeiten bei fortschreitender Erkrankung?
Mittlerweile sind weitere Therapieprinzipien in Erprobung, letztlich sind es immunmodulierende und Entzündungen blockierende wirksame Therapien auf Zellsignalmolekülebene, die an unterschiedlichen Abschnitten der Entzündungskaskade von T-Lymphozyten oder Immunzellen der Darmwand eingreifen. Eine endgültig durchschlagende Therapie die bei allen Patienten mit M. Crohn oder CU wirkt ist bisher nicht entwickelt worden und erscheint auch eher unwahrscheinlich, da nicht klar ist, was die Erkrankungen eigentlich auslöst. Damit ist eine einzelne therapeutische Option für beide Erkrankungen per se kaum umsetzbar.
Was sollten Patienten mit einer Colitis ulcerosa beachten?
Wichtig für CU ist, dass bedacht werden muss, dass eine langjährige CU ein deutlich erhöhtes Karzinomrisiko für Kolonkarzinom hat. Prophylaktisch wirkt hier neben der Kontrolle der Entzündung durch Basistherapien wie Azathioprin, v.a. die sog. 5-ASA Präparate wie Salofalk, Mezavant oder Claversal. Spätestens nach 10 Jahren Erkrankungsdauer sollten kürzere Endoskopie-Intervalle ins Auge gefasst werden (alle 2 Jahre Koloskopien).
Welche Tipps für eine geeignete Ernährung können Sie geben?
Hierzu gibt es keine spezielle Empfehlung. Eine pauschale Diät für alle Patienten existiert nicht und muss stets individuell erarbeitet werden, da jeder Patient ganz individuelle Verdauungsprobleme bietet. Zudem müssen Begleitprobleme wie z.B. eine Nierenerkrankung oder ein Diabetes berücksichtigt werden, die dann spezielle Einschränkungen für bestimmte Diäten erforderlich machen (z.B. die ansonsten eher positive calcium- und phosphatreiche Ernährung hier begrenzen). Grundsätzlich aber sollten CED Patienten auf möglichst keimarme Kost achten, also gekühlte Lebensmittel sollten nicht lange offen stehen, da die Keimzahlerhöhung gerade in heißen Monaten schnell zu Problemen führen kann. Daher wird auch generell vor Rohmilchprodukten gewarnt.
Ziel der Ernährung sollte immer eine Vermeidung von Mangelerscheinungen sein, eine therapeutische Diät, die Entzündungsschübe behandeln existiert nicht. Wenn gleichzeitig aber z.B. eine Lactoseintoleranz festgestellt wurde, die beichronisch entzündlichen Darmerkrankungen häufig ist, dann muss das fehlende Calcium der Milch durch einen entsprechenden Zusatz (1000 mg/Tag) in der Nahrung aufgenommen werden.
Welche Frage wird Ihnen sehr häufig von Patienten gestellt?
Fragen nach Ernährungstipps oder spezielle Diäten sowie auch die Planung des Kinderwunsches bei Patientinnen mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankungund damit Ängste vor den Nebenwirkungen der Behandlungen auf das ungeborene Kind stehen im Vordergrund. Daneben auch Sozialmedizinische Fragen wie eine Frühverrentung oder Anträge auf Schwerbehinderung kommen häufig vor.
Welche Antwort ist für Ihre Patienten überraschend?
Viele Patienten verstehen erst allmählich, dass es sich um eine chronische und in Schüben verlaufende Erkrankung handelt. Manche Patienten setzen nach Besserung der Symptome eigenständig die Medikamente ab in der Annahme, die Erkrankung sei geheilt. Dadurch kommt es dann wiederum zu einem erneuten Schub. Das wäre häufig vermeidbar, wenn solche Entwicklungen dem Patienten im Voraus verständlich gemacht würden. Eine umfassende Aufklärung des Patienten u.a. auch mit entsprechenden Aufklärungsbroschüren und ggf. Internetadressen sowie auch von Selbsthilfeorganisationen ist bei dieser Erkrankung dringend erforderlich.
Infos zur Person
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind im Allgemeinen sehr schwierig zu behandeln und in ihrer Entstehung auch bis heute nicht komplett verstanden. Im Laufe meiner Forschung habe ich mich mit immunologischen Grundlagen dieser Erkrankung beschäftigt und die Ausbreitung und die Ausprägung der klinischen Symptome haben mich immer schon fasziniert. Hierdurch konnte ich natürlich vielfältige Einblicke in die klinische Ausprägung der molekularen Mechanismen gewinnen und sie auch in der Anwendung am Patientenbett selber beobachten. Auch endoskopisch stellt eine chronische Darmentzündung ein enormes Problem und eine Herausforderung dar, wenn z.b. mal Stenosen vorliegen die mittels Endoskop behandelt werden müssen. Zusammenfassend kann man eigentlich sagen, dass die Vielfältigkeit der Ausprägungen von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen das Krankheitsbild so spannend machen. Zudem sind alle Altersgruppen als Patienten gut vertreten von jung bis alt. Beide Geschlechter sind etwa gleich häufig vertreten. Es ist im Hinblick auf die Vielzahl der klinischen Erscheinungsbilder ein echte Herausforderung all diesen Erfordernissen gerecht zu werden und ich stelle mich sehr gerne der Herausforderung und deshalb behandle ich gerne Patienten mit chronischer Darmentzündung.
Infos zur Klinik
Das St. Clemens-Hospital in Geldern hat neben dem Vorteil einer kassenärztlichen Ermächtigung, die uns das Rezeptieren von besonderen und speziellen Medikamenten, unter anderem Humira, Simponi oder Remicade ermöglicht, auch den Vorteil, dass die gesamte Diagnostik einschließlich Kernspintomographie verfügbar ist. Wir haben eine Ambulanz die darauf abgestimmt ist, Patienten mit diesem speziellen Krankheitsbild umfassend zu betreuen, sowohl das ärztliche als auch das pflegerische Team. Auch im Hinblick auf unser Sekretariat sind wir hier bestens abgestimmt. Sie kennen sich mit allen Belangen und Problemen dieser Patientengruppe bestens aus. Grundsätzlich ist es so, dass wir für den Patienten-Sekretariatsbereich auch Fachweiterbildungsassistenten haben, die sämtliche Diagnostik und auch alle weiteren Fragen des Patienten sehr detailliert beantworten können. Die diagnostischen Abläufe unserer Klinik sind bei Crohn Colitis Patienten auf die entsprechenden Symptome hin optimiert und standardisiert. Wir können sämtliche Symptome die sich im Laufe einer solchen Erkrankung bieten sowohl ambulant als auch stationär bestens behandeln. Wir haben bei uns eine ambulante Sprechstunde etabliert, die zweimal die Woche über einen Zeitraum von zwei bis drei Stunden stattfindet, wo sämtliche Probleme eingehend besprochen werden können.
Lebenslauf:
Wissenschaftlicher und beruflicher Werdegang
1982-1989 | Freiherr vom-Stein Gymnasium in Lünen |
1989-1991 | Oberstufe mit den Leistungskursen: Chemie und Biologie |
1993-1999 | Studium der Humanmedizin an der Universität des Saarlandes |
1999-2000 | Praktisches Jahr an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster |
2000 | Dritter Abschnitt der ärztlichen Prüfung mit dem Wahl-fach Anästhesie |
8/2000–11/2000 | Arzt im Praktikum an der Medizinischen Klinik B der Westfälischen Wil-helms-Universität Münster |
11/2000–01/2002 | Arzt im Praktikum am St. Josef-Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Klinik I |
Ab 02/2002 | Assistenzarzt am St. Josef-Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Me-dizinische Klinik I |
05/2007 | Facharztprüfung: Facharzt-Anerkennung für Innere Medizin, Ärztekammer Westfa-len-Lippe |
Von 08/2008–09/2012 | Oberarzt der Medizinischen Klinik I für Gastroenterologie und All-gemeine Innere Medizin – Gastroenterologisches Zentrum am Niederrhein im St. Antonius-Hospital Kleve |
01/2010 | Anerkennung der Schwerpunktbezeichnung Gastroenterelogie durch die Ärzte-kammer Nordrhein |
Seit 10/2012 | Chefarzt Innere Medizin/ Gastroenterologie am St. Clemens-Hospital Geldern |
Mitgliedschaften:
Publikationen:
- Glucagon-like peptide 2 improves intestinal wound healing through induction of epithelial cell migration in vitro – evidence for a TGF-ß-mediated effect
K. Bulut et. al
Regulatory Peptides 121 (2004) 137-143 - Vascular endothelial growth factor (VEGF164) ameliorates intestinal epithelial injury in vitro in IEC-18 and Caco-2 monolayers via induction of TGF-ß release from epithelial cells
K. Bulut et al.
Scandinavian Journal of Gastroenterology (2006) 41: 687-692 - Substance P induces intestinal wound healing via Fibroblasts – evidence for a TGF-β-dependent effect
K. Bulut et. al
Int J Colorectal Dis (2007) 22:1475–1480 - Sensory neuropeptides and epithelial cell restitution: the relevance of SP- and CGRP-stimulated mast cells
K. Bulut et. al
Int J Colorectal Dis (2008) 23:535–541 - Increased duodenal expression of transforming growth factor-a and epidermal growth factor during experimental colitis in rats
K. Bulut et. al
European Journal of Gastroenterology & Hepatology (2008) 20 (10): 989-994. - Glucagon like peptide-2 induces intestinal restitution through VEGF release from subepi-thelial myofibroblasts
K. Bulut et. al
European Journal of Pharmacology 578 (2008) 279–285 - Carbachol induces TGF-alpha expression and colonic epithelial cell proliferation in sensory-desensitised rats.
Bulut K, Felderbauer P, Hoeck K, Schmidt WE, Hoffmann P.
Int J Colorectal Dis. (2010) 25(3): 335-341 - Multifactorial genesis of pancreatitis in primary hyperparathyroidism: evidence for „protec-tive“ (PRSS2) and „destructive“ (CTRC) genetic factors.
Felderbauer P, Karakas E, Fendrich V, Lebert R, Bartsch DK, Bulut K.
Exp Clin Endocrinol Diabetes (2011) 119 (1):26-29